Offener Vollzug
Der offene Vollzug bietet die besten Voraussetzungen für eine an den Lebens- verhältnissen in Freiheit orientierte Vollzugsgestaltung. Er fördert zugleich die Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Gefangenen und erleichtert ihnen den Übergang in die Freiheit. Mit seiner Öffnung nach außen beugt er zudem schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs vor. Hierzu zählen z.B. die drohende Unselbständigkeit der Gefangenen bzw. des Gefangenen infolge der strengen Reglementierung des geschlossenen Vollzuges oder der Verlust sozialer Beziehungen. Der offene Vollzug bietet inhaftierten Straftäterinnen und Straftätern aber auch die Chance, im Wege vollzuglicher Lockerungen den bisherigen Arbeitsplatz zu erhalten oder neue Arbeits-felder zu erschließen.
Vor diesem Hintergrund sieht das Haus I der JVA Bremervörde, die Abteilung des offenen Vollzugs keine oder nur verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen vor und ermöglichen damit so viel Lebensnormalität und Kontakt mit der übrigen Gesellschaft wie möglich.
Inhaftierten Straftätern des offenen Vollzuges steht es aber nicht frei, die Anstalt nach ihrem Belieben zu verlassen. Jedes Fortgehen aus der Anstalt setzt eine auf der Grundlage einer Einzelfallentscheidung getroffene besondere Erlaubnis voraus. Das gegenüber dem geschlossenen Vollzug geringere Maß äußerer Kontrolle verlangt ein besonderes Maß innerer Einsicht: Die dort untergebrachten Gefangenen müssen daher auch die Bereitschaft und charakterliche Befähigung zur freiwilligen Einordnung in die Gemeinschaft und zur Selbstdisziplin aufweisen.
Die Möglichkeiten der Unterbringung Gefangener im offenen Vollzug sind wahrzunehmen und auszuschöpfen. Entscheidend wird sein, ob im Einzelfall die Unterbringung im offenen Vollzug vor dem Hintergrund der jeweiligen Sicherungserfordernisse verantwortet werden kann. Diese Entscheidung darf sich nicht allein an persönlichen Eignungskriterien ausrichten, die die Möglichkeit einer in der Haft bewirkten Veränderung der Gefangenen außer Acht lassen. Vielmehr sind diese Kriterien in den Kontext der jeweiligen Gesamtsituation zu stellen und zu bewerten. Dabei müssen der individuelle Vollstreckungs- und Behandlungsstand ebenso in den Blick genommen wer-den wie die Art und Schwere eines denkbaren Missbrauchs des offenen Vollzuges. Der Gefahr eines unerlaubten Alkoholkonsums wird dabei eine andere Bedeutung zukommen als der Verletzung erheblicher Rechtsgüter dritter Personen. In jedem Einzelfall hat daher eine konkrete Risikoabschätzung zu erfolgen, um die Verlegungsentscheidung zu objektivieren.
Gegen Ende des Vollzuges müssen zudem mögliche Risiken einer Unterbringung im offenen Vollzug gegenüber dem Risiko einer unerprobten Entlassung abgewogen werden. Soweit verantwortbar, ist in möglichst vielen Fällen die Entlassung der Gefangenen über den offenen Vollzug anzustreben. Kann im Ergebnis eine Verlegung Gefangener in den offenen Vollzug – noch – nicht verantwortet werden, darf dies keine endgültige Entscheidung sein. Im Rahmen eines dynamischen Entscheidungsprozesses ist vielmehr immer wieder neu zu prüfen, ob die Entwicklung der Gefangenen bzw. des Gefangenen eine Unterbringung im offenen Vollzug zulässt. Die Gründe für ein Absehen von der Verlegung in den offenen Vollzug sind zu dokumentieren. Den Gefangenen ist in verständlicher Form zu vermitteln, welche Leistungen zu erbringen sind bzw. an welchen Defiziten zu arbeiten ist, um in den offenen Vollzug verlegt werden zu können.
Bild vom offenen Vollzug